Luftverkehrs-Pionier, Schiffbau-Unternehmer, Politiker und Gründer des Stiftungsvereins
Gotthard Sachsenberg wurde 1891 in Roßlau als Sohn von Dr.-Ing. h. c. Gotthard Sachsenberg d. Ä. und dessen Frau Mathilde zu einer Zeit geboren, als das Familienunternehmen Gebrüder Sachsenberg AG dank überzeugender Entwicklungen zur damals größten Binnenschiffswerft Europas mit Abnehmern auch auf dem amerikanischen Kontinent gewachsen war.
Nach Abitur und kurzer Studienzeit im Fach Nationalökonomie trat Gotthard 1913 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein. Als dann der Erste Weltkrieg begann, meldete er sich freiwillig zum Dienst beim Marine-Fliegerkorps Flandern, wurde dort zum Leutnant zur See befördert und kommandierte in den Jahren 1917/18 das von ihm aufgebaute Marine-Jagdgeschwader Flandern (auch als ‚Kampfgeschwader Sachsenberg‘ bekannt). Für seine zahlreichen Luftkampf-Siege wurde er u. a. mit dem Orden Pour le Mèrite ausgezeichnet. Nach Kriegsende kämpfte Gotthard mit seinem Geschwader erfolgreich für die lettische Unabhängigkeitsbewegung des späteren Regierungschef Karlis Ulmanis um die Befreiung Rigas von den Bolschewisten.
Ende 1919 gründete Gotthard gemeinsam mit den ehemaligen Fliegerkameraden die Ostdeutsche Landwerkstätten GmbH (OLA) in Seerappen bei Königsberg. Dort bot sich den früheren Marinefliegern der Start in ein normales Berufsleben. Ebenfalls Ende 1919 wurde Gotthard auch Geschäftsführer der von Junkers, Albatros, dem Norddeutschen Lloyd und der OLA gegründeten Lloyd Ostflug GmbH in Königsberg, die von dort die Strecke nach Berlin über Danzig beflog.
In diese Zeit fällt auch seine erste Spur als politischer Kopf: Mit der Denkschrift ‚Auf dem Wege zum Arbeitsfrieden‘ von 1920 versuchte er, eine Brücke zu bauen zwischen rein kapitalistischer Wirtschaftsweise und dem orthodoxen Marxismus. Wichtig waren ihm ein kooperatives Zusammenwirken von Kapitalbesitzer- und Arbeitnehmerseite sowie eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmergewinn.
Ab 1921 arbeitete Gotthard Sachsenberg dann für und mit Professor Hugo Junkers am Aufbau eines zivilen nationalen und internationalen Luftfahrtnetzes, u. a. in der Funktion als Direktor der Junkers-Abteilung Luftverkehr, aus der später die Lufthansa hervor ging. Ebenfalls mit Gotthard verbunden ist der erste Transatlantik-Flug ‚gegen den Wind‘, ein Jahr nach Lindberghs West-Ost-Pionierflug ‚mit dem Wind‘. Von Mai 1928 bis Juli 1932 wandte er sich verstärkt der Politik zu, machte Wahlkampf gegen die NSDAP und wurde für den Wahlkreis Breslau-Liegnitz als Abgeordneter in den Deutschen Reichstag gewählt. Im Juni 1934 gelang ihm der Rückerwerb der Aktienmehrheit an der Gebr. Sachsenberg AG, die schon vor 1920 als Folge des Ersten Weltkriegs verloren gegangen war.
Am 7. Juli 1934 dann eine Zäsur: Gotthard wurde auf persönlichen Befehl seines langjährigen Gegners, des NS-Reichsluftfahrtministers und preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring, verhaftet und anschließend im KZ Lichtenburg interniert. Der sofortigen Erschießung in der ‚Blutnacht von Berlin-Lichterfelde‘ war er nur durch glücklichen Zufall entkommen. Endgültig gerettet wurde Gotthard durch das Vermächtnis des einige Wochen später verstorbenen Reichspräsidenten Hindenburg, sämtliche Pour le Mèrite-Träger an seinem Grab zu versammeln. Politisch musste er sich seitdem völlig heraushalten. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde ihm von den NS-Behörden zwecks ungehinderter Rüstungsproduktion die unternehmerische Leitungsbefugnis entzogen. Dennoch gelang es Gotthard Sachsenberg, ab den späten 1930er Jahren gemeinsam mit dem Wissenschaftler Hanns Freiherr Schertel von Buntenbach die Tragflügel-Schnellbootentwicklung wegweisend voran zu treiben.
Nach Kriegsende und umgehender Enteignung der Roßlauer Werft durch die Sowjetische Militäradministration startete Gotthard Sachsenberg trotz schwerer Erkrankung neu: Sowohl unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen mit dem Bau von Tragflügelbooten, als auch mit der Gründung der Biologischen Arbeitsgemeinschaft in Lich und als Initiator des Deutschen Grünen Kreuzes hinterließ er Spuren bis in die heutige Zeit. Im August 1961 verstarb Gotthard Sachsenberg in seiner Wahlheimat Bremen.
Schnellboote nach dem Schertel-Sachsenberg-System fahren noch heute in mehreren Ländern, darunter auf dem Gardasee die 1988 vom Lizenznehmer Rodriquez-Werft in Messina gebaute Goethe. Und aus der einstigen Non profit-Arbeitsgemeinschaft in Lich wurde inzwischen ein prosperierendes, mittelständisches Pharma-Unternehmen in weiterhin familiärer Hand. Auch der vor dem Krieg von ihm gegründete Familienverein lebt im heutigen Gotthard Sachsenberg Stiftungsverein fort.